Gelbe Nebelwand

Was ist die gelbe Nebelwand

Die gelbe Nebelwand befindet sich unmittelbar hinter der Pforte zur achten Ebene, die der Echogeist Anawrin bewacht. Der Begriff der gelben Nebelwand ist insofern irreführend, da diese Wand eigentlich nicht wahrnehmbar ist und in gewissem Sinne noch nicht einmal existiert (siehe unten). Häufig wird sie deshalb auch als das absolute Nichts bezeichnet, das es jedoch im materialistischen Sinne als Gegenteil von Materie ebenfalls nicht gibt, da Materie ebenfalls nicht existiert. Das Einzige was existiert, ist die eine lebendige, raum-zeitlose Energie, die mit ihrer Bewegung identisch ist. Wirklich ist somit nur die Veränderung, da es etwas, an dem sich die Änderung vollzieht, überhaupt nicht gibt!
Eine angemessenere Beschreibung der Nebelwand liefert der Echogeist: „… jedes Geräusch, jeder Tritt, ja auch nur der kleinste Hauch bringt diesen Bereich in immer stärkeres Schwingen, bis er einfach nur im Nichts zerfällt und mit ihm alles um ihn herum. So hat es der Mechanikermeister gewollt.“[1]
Tatsächlich handelt es sich bei der gelben Nebelwand um eine äußerst ungewöhnliche Energiekonfiguration oder genauer gesagt um das Konzept einer solchen Energiekonfiguration, die jeden Gedanken, jedes Gefühl, überhaupt jede Lebens- und Bewusstseinsäußerung registriert, ins Unendliche verstärkt und damit diese Äußerungen des Reisenden letztlich vollständig zerstört und auslöscht.
Wer diese Erfahrung mit der Nebelwand gemacht hat, reflektiert sie aufgrund eben dieser vollständigen Auslöschung der eigenen Gedanken, Gefühle und Erinnerungen tatsächlich fälschlich als eine Erfahrung des Nichts. Ja manche Lebewesen gingen aufgrund der in gewissem Sinne reinigenden Wirkung der gelben Nebelwand gerade hinsichtlich der „fremden Gedanken“ (siehe Glossar „Fremde Gedanken des Drachen Morsus“) sogar so weit, diese auch als das Fegefeuer zu bezeichnen. Wieder andere brachten die gelbe Nebelwand mit dem ersehnten Nirwana in Verbindung. Doch all diese Vorstellungen treffen nicht wirklich das Wesen jener Nebelwand. 

Funktionsweise der gelben Nebelwand

Grundsätzlich beruht diese vom Mechanikermeister als reiner Schutzmechanismus angelegte Nebelwand auf dem Prinzip der Resonanz, zu der es kommt, wenn irgendetwas die Eigenfrequenz des Nebels trifft. Die zugeführte Energie der Gedanken, Emotionen, Handlungen etc. wird dadurch optimal übertragen und im System der gelben Nebelwand gespeichert. Durch diese Speicherung sowie durch die immer weitere Energiezufuhr und deren Verstärkung mittels Nutzung der Urenergie schwingt das Energiesystem des gelben Nebels und all dessen, was in ihm enthalten ist, immer stärker, bis die Belastungsgrenze der von dem Reisenden eingebrachten eigenen Energiekonfiguration überschritten und diese dadurch zerstört und ausgelöscht wird. Je nachdem, wie lange sich der Reisende in der Zone der Nebelwand aufhält und wie aktiv er in jener Zeit ist, kann es bis zur vollständigen Auslöschung der Konfigurationen des Energiekörpers des Reisenden kommen, so dass der Betroffene im Extremfall auf den Stand der Seele zum Beginn ihrer Reise durch den großen Traum der Ebenen und Welten zurückgeworfen wird.
Auf diese Weise wollte der Große Mechanikermeister verhindern, dass der Drache Morsus oder irgendein anderes Negativwesen ihm folgen und sein schändliches Werk auch in den höheren Ebenen fortzusetzen vermochte. Die Nebelwand würde jedes noch so bösartige Wesen der Gegenwelt in seiner Negativität vollständig neutralisieren.

 

Die Akausalität der gelben Nebelwand

Als besonders an dieser gelben Nebelwand erscheint jedoch nicht die Tatsache der Resonanz an sich, sondern dass ihre Konfiguration in einer unendlichen Potentialität angelegt ist, da die Nebelwand generell alle auf sie einwirkenden Schwingungen mit einer Eigenfrequenz zu beantworten vermag. Dieses Verhalten ist in der Verwirklichung intelligent und akausal, da die Nebelwand, bevor der Reisende die Pforte zur achten Ebene betritt, gar nicht vorhanden ist und erst durch ihn erzeugt oder aktualisiert wird. Diese Paradoxie „Nebelwand und Reisender“ verhält sich also wie eine Antwort, die bereits existiert, noch bevor die Frage überhaupt gestellt wurde. 
Damit erklärt sich auch die eingangs erwähnte Unsichtbarkeit der Wand. Dass sie dennoch als gelbe Nebelwand wahrgenommen wird, liegt an einer Hilfskonstruktion des Wahrnehmungsapparates, der diese quasi Fehlstelle aus Mangel an bekannten Wahrnehmungsschablonen einfach als gelbe Nebelwand interpretiert.
Die Konzeption dieses Schutzsystems wirft ein interessantes Licht auf die Fähigkeiten und Absichten des Großen Mechanikermeisters. Denn das, was er schuf, gestand man bis dato allein dem höchsten Schöpfer zu. Vergleiche dazu Glossar „Technik“, Unterkapitel „Das wirkliche Anliegen des Mechanikermeisters“. 

Jules Überwindung der gelben Nebelwand

In dem vorliegenden Erlebnisbericht wird Jules Überwindung der Nebelwand mit dem Aufwachen aus den fremden Gedanken des Drachen Morsus in Verbindung gebracht. Jedoch hat dieses Aufwachen Jules mit der Überwindung der Nebelwand nur mittelbar etwas zu tun. Ihre innere Stimme meldete sich zu Wort, um ihr die Gefahr der fremden Gedanken zu offenbaren. Und diese Gefahrensituation lies Jule über sich selbst hinauswachsen, indem sich ihr Wahrnehmungszentrum verschob. Siehe dazu Glossar „Wahrnehmung“, Unterpunkt „Verschiebung des Wahrnehmungszentrums“. Durch diese Art des Aufwachens aus den fremden Gedanken signalisierte Jule der gelben Nebelwand, dass sie für den Großen Mechanikermeister und die Schöpfung keine Gefahr mehr darstelle und demzufolge ihre Energiekonfiguration nicht gelöscht werden brauchte. Doch diese Tatsache allein hätte nicht ausgereicht, um jene Löschung vermittels des Resonanzprinzips zu verhindern. Etwas viel Genialeres inszenierte Jules höheres Selbst. Sie selbst hat gut beschrieben, was wirklich im gelben Nebel passierte:
„Doch beunruhigender Weise hielt dieser vernebelte Zustand unverändert an, egal was auch immer sie tat. Es war eine ganz seltsame, völlig unbekannte Wirklichkeit: Denn einerseits fühlte sie, dass sie sich in einer Welt mit Gestalt fortbewegte, auch wenn sie diese nicht sehen konnte. Und anderseits erschien es ihr, als würde jeden Augenblick mit jedem Schritt und Atemzug die Welt um sie herum unmittelbar vergehen und im gleichen Augenblick aufs Neue erstehen, sie und ihr Körper dabei inbegriffen. Wiederholte diese geheimnisvolle Welt also in jedem Neuerstehen immer nur wieder die alten Formen? Oder war sie selbst es vielleicht sogar, die sich und ihren Körper immer aufs Neue erschuf? Ja, fast schien es ihr tatsächlich so. Dies alles war seltsam, unerklärlich und spannend zugleich.“[2]
Tatsächlich hat Jule Levitan in vollkommener Synchronizität zu den Resonanzfrequenzen der Auslöschung die Konfiguration ihres Energiekörpers immer wieder aufs Neue erschaffen, und somit den Auslöschungsmechanismus des Mechanikermeisters überwunden. Wie mir Frances Berggruen alias Franzi mitteilte, war diese unendliche Synchronizität ein in den Ebenen bis dato einzigartiger Vorgang, der auf die wahre Bedeutung Jule Levitans verweist, die sich selbst immer nur zu Unrecht als ein kleines unbedeutendes Mädchen gesehen hatte.


[1]  Siehe Kap. „Die denkwürdige Begegnung mit dem Echogeist“.

[2]  Siehe Kap. „Durch die Nebelwand“.


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